Hausbesuch bei der Lila Leeze: Von Pakistan in die Fahrradwerkstatt

„Jaja, das ist mein Mo“ lacht Sebastian Bonitz und herzt seinen Kollegen.

Die beiden arbeiten bei „Lila Leeze“, eine Fahrradwerkstatt in der Nähe des Hansarings. Mo heißt eigentlich Mohammed und ist vor drei Jahren aus Pakistan nach Deutschland geflohen. Der Job bei „Lila Leeze“ bietet ihm nicht nur finanzielle Unabhängigkeit, er hat ihm auch geholfen, endlich richtig in Deutschland anzukommen.

Rückblick

Mohammed ist in Pakistan geboren und aufgewachsen. Er und seine Familie sind Schiiten und gehören damit der zweitgrößten Strömung innerhalb des Islams an. In Pakistan leben aber vor allem Moslems, die der größten Strömung ihrer Religion angehören: die Sunniten. Oft kommt es zwischen den beiden Konfessionen zu Konflikten, auch im öffentlichen Leben grenzen sich Sunniten und Schiiten voneinander ab.

Mohammeds Vater aber ist Arzt und erzieht ihn liberal: Trotz des Konflikts möchte er, dass sein Sohn auch mit Kindern aus anderen Religionsgruppen spielt. Ihm ist es wichtig, dass Mohammed nett und höflich zu allen ist.

Konflikt verschärft sich

In Mohammeds Kindheit verschärft sich der Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten in Pakistan aber immer weiter. Er entscheidet sich derweil für eine Ausbildung zum Goldschmid, verdient viel Geld mit seinem Business und ist der Kapitän einer erfolgreichen Cricketmannschaft.

Doch die Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten werden sowohl für ihn und seine Familie, aber auch für viele andere, die der schiitischen Strömung angehören, zu einem ernsthaften Problem. Immer mehr Schiiten werden wahllos umgebracht.

Die Flucht

Mohammed beschließt, sein altes Leben hinter sich zu lassen und aus Pakistan zu fliehen.

Mit dem Auto, dem Zug, dem Bus und im Schlauchboot gelangt er über die Türkei und Griechenland schließlich nach Münster. Insgesamt ist er einen ganzen Monat unterwegs.

Lila Leeze

Dortmunder Straße 11 – Hinterhof
48155 Münster

Kontakt

Tel. 02 51 – 66 57 61
info@lila-leeze.de
www.lila-leeze.de

Ankommen in Münster

Die erste Zeit fällt ihm schwer, er verlässt kaum seine Unterkunft und das Deutschlernen bereitet ihm große Probleme. Dann fordert ihn das Sozialamt auf, ein Kurzzeitpraktikum bei „Lila Leeze“ zu machen. Mohammed sieht das als Chance. Er ist immer pünktlich, höflich und lernt schnell, wie man Fahrräder repariert.

Sein Chef Jens Schneiderheinze weiß das zu schätzen: Nach einem weiteren Praktikum lässt er Mohammed eine Ausbildung beginnen.

Von seinem Leben in Pakistan ist nur noch die selbstgeschmiedete Kette geblieben, die er um den Hals trägt.

Das Cricketspielen hat er gegen Kraftsport und Rennradfahren getauscht. Wohnen tut er in einer WG im Herzen von Münster. Und vor allem: Er ist glücklich.

Lust auf Leeze

„Der Job macht mir sehr viel Spaß! […] Lila Leeze hat mir vor allem am Anfang sehr geholfen: Alle waren nett, ich habe viele Leute kennengelernt und auch wenn ich in der Schule mal etwas nicht verstanden habe, haben mir meine Kollegen bei Lila Leeze weitergeholfen“, erzählt er.

Mohammed und sein Kollege Sebastian in der Lila-Leeze-Werkstatt
Mohammed und sein Kollege Sebastian in der Lila-Leeze-Werkstatt

Zu Beginn seiner Ausbildung hat Mohammed gelernt Fahrräder zu reparieren. Mittlerweile ist sein Deutsch so gut, dass er sich auch um den An- und Verkauf von Gebrauchträdern kümmert.

Durch seine offene Art ist er zu einem kleinen Promi geworden: „Wenn ich mit meinem Fahrrad durch die Stadt fahre, winken mir immer richtig viele Leute zu und oft weiß ich gar nicht, woher ich die kenne. Erst später fällt mir dann ein: Achja, ich habe mal sein oder ihr Fahrrad repariert. Die Leute kennen mich alle von der Lila Leeze.“

Einmal wurde Mohammed sogar auf einem Techno-Festival erkannt, das 800 Kilometer von Münster entfernt stattgefunden hat. Das macht Mohammed stolz, und er freut sich, wenn die Leute zufrieden mit seiner Arbeit sind.

Einfach nett sein

Er weiß aber auch, dass es Menschen gibt, die ihm seine Ausbildung nicht gönnen. In seiner Zeit in Münster hat er zweimal erlebt, dass er aufgrund seiner Herkunft beschimpft wurde. Gerade dann ist es ihm wichtig, nett zu den Leuten zu sein, so wie sein Vater es ihm von klein auf beigebracht hat.

„Man muss immer nett sein. Vor allem wenn Leute böse zu dir sind. Vielleicht überdenken sie ihre Einstellung zu dir nochmal und wenn nicht, warst du immerhin besser als sie. Meistens ist es aber so, dass die Leute nett zu dir sind, solange du nett zu ihnen bist. Also: Einfach nett sein!“

Ausbildungsplatz finden (Foto: Jörg Lantelme - fotolia.com)
Foto: Jörg Lantelme – fotolia.com

Viel Wissenswertes zum Thema „Arbeit finden“ fasst unsere Überblicksseite „Arbeit“ zusammen.

Dort finden sich:

  • Beratungsangebote,
  • Telefonnummern,
  • Linktipps und
  • wichtige Ansprechpartner.

Deutsch ist wichtig

Außerdem sagt Mohammed, dass, wenn man nach Deutschland kommt, es vor allem wichtig sei, Deutsch zu lernen. Denn bevor er die Chance bei „Lila Leeze“ bekommen hat, konnte er nur Englisch und hat ein halbes Jahr einen Job gesucht, aber ohne Erfolg. In der Sprachschule hatte er große Probleme mit dem Deutschlernen. Daher sein Tipp: unter Leuten gehe und ganz viel Deutsch sprechen.

Ob er nach Pakistan zurückkehrt, weiß er nicht. Noch hat sich der Konflikt nicht gelegt, und im Moment ist er glücklich in Deutschland. Vielleicht will er irgendwann nochmal als Goldschmid arbeiten. Aber erstmal steht seine Ausbildung bei „Lila Leeze“ an erster Stelle.

Vorheriger Beitrag
Veranstaltungsreihe „Unfair.Unfrieden.Flüchten“: Ermutigung zu solidarischem Handeln
Nächster Beitrag
Musik der Völker: Indische Raga-Musik im F24

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.

13 + vierzehn =

Archiv